Hart umkämpfte Umfahrungsstrasse

    Am 21. Mai stimmt das Berner Volk über einen Projektierungskredit in der Höhe von 6,6 Millionen Franken für die Verkehrssanierung Aarwangen ab. Mit dem Bau einer Umfahrungsstrasse soll die Ortsdurchfahrt von Aarwangen entlastet und die Region besser an die Autobahn angeschlossen werden. Seit Wochen kämpfen das breit abgestützte Ja-Komitee sowie auf der anderen Seite das Komitee «Nein zur Luxusstrasse im Oberaargau» mit harten Bandagen.

    (Bild: Walter Ryser) Aarwangen versinkt im Verkehr. Am 21. Mai stimmt die Berner Bevölkerung darüber ab, ob das Oberaargauer Dorf mit dem Bau einer Umfahrungsstrasse entlastet werden soll

    Mit der Abstimmung über die Verkehrssanierung Aarwangen tritt ein Oberaargauer Verkehrsanliegen in die entscheidende Phase. Mittlerweile ist die Belastung für die Bevölkerung, die Umwelt, aber auch für die Verkehrsteilnehmer auf ein unerträgliches Mass angestiegen. Der Handlungsbedarf ist erkannt und unbestritten. Mit dem Bau einer Umfahrungsstrasse und weiteren umfassenden, flankierenden Sanierungsmassnahmen sollen die Ortsdurchfahrt Aarwangen entlastet, die Situation für die Fussgänger, die Velofahrer, aber auch für den öffentlichen Schienenverkehr verbessert werden. Für die Projektierung des Bauvorhabens «Verkehrssanierung Aarwangen – Langenthal Nord» hat der Grosse Rat des Kantons Bern mit 111 zu 35 Stimmen bei vier Enthaltungen einen Kredit von 6,6 Millionen Franken bewilligt. Gegen diesen Beschluss hat ein Komitee aus VCS und Grünen das Referendum ergriffen, weshalb es am 21. Mai zu einer Volksabstimmung kommt. Kernstück der Sanierung ist der Bau einer zweispurigen, rund 3,6 km langen Umfahrungsstrasse. Weiterer Bestandteil des Projektes ist eine Brücke über die Aare sowie ein rund 500 m langer Tunnel.

    16’000 Fahrzeuge täglich
    Für die Verkehrssanierung macht sich ein breit abgestütztes Ja-Komitee, vorwiegend aus bürgerlichen und wirtschaftsfreundlichen Kreisen stark, VCS, Grüne und linke Kreise haben sich im Komitee «Nein zur Luxustrasse im Oberaargau» zusammengeschlossen. Beide Lager kämpfen seit Wochen mit harten Bandagen gegeneinander und werfen sich gegenseitig vor, mit Unwahrheiten und falschen Aussagen den Stimmbürger in die Irre zu führen. Die Berner Regierung steht geschlossen hinter dem Projekt. Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer (SP) rief schon mehrfach in Erinnerung, dass die Menschen in Aarwangen seit langem unter dem Durchgangsverkehr litten. Betroffen sei insbesondere auch die Sicherheit der Schulkinder. Egger-Jenzer hielt weiter fest, dass mit bis zu 16’000 Fahrzeugen an Werktagen die Ortsdurchfahrt in Aarwangen etwa gleich stark belastet sei wie die Gotthard-Autobahn. Dabei liege der Anteil des Schwerverkehrs mit 16 Prozent deutlich über dem kantonalen Durchschnitt.

    Die Regierung und mit ihr das Ja-Komitee, sind einhellig der Meinung, dass nur eine Umfahrung spürbare Verbesserungen bringen wird. Sie entlaste die Ortsdurchfahrt und erschliesse die Industriegebiete im Raum Langenthal. Der Ausbau der Ortsdurchfahrt in Aarwangen, wie er von der Gegenseite explizit gefordert wird, ist aus Sicht von Regierung und Grossem Rat keine Option, weil dieses Vorgehen sehr grosse Eingriffe in das Ortsbild erfordere und einen vergleichsweisen geringen volkswirtschaftlichen Nutzen bringe. Das Ja-Komitee weist zudem auch darauf hin, dass sich die Teilnehmenden einer öffentlichen Mitwirkung mit 83 Prozent klar für die Umfahrungslösung ausgesprochen haben.

    Aarwangens Gemeindepräsident Kurt Bläuenstein kämpft für sein Dorf und setzt sich in diesen Tagen vehement für ein Ja zur Verkehrssanierung Aarwangen ein.

    Gegner bevorzugen Variante «Null+»
    Die Gegner der Umfahrung argumentieren, dass für 100 Millionen Franken weniger, also für rund 50 Millionen Franken, die Variante «Null+», die letzten Herbst bei der Abstimmung im Grossen Rat dem vorliegenden Projekt unterlag, umgesetzt werden könnte. Diese Variante sieht eine Umgestaltung des bestehenden Strassenraumes in Aarwangen vor. Dabei wird darauf verwiesen, dass im Kanton Bern bereits mehrere stark belastete Strassenabschnitte auf die gleiche Weise erfolgreich saniert worden seien. Ein Dorn im Aug ist dem Komitee «Nein zur Luxusstrasse im Oberaargau» auch der Verlust von Kulturland. So wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die geplante Strasse ein wichtiges Naherholungsgebiet durchquere. Das Fazit der Gegner der Umfahrungsstrasse lautet deshalb: «Die Strasse ist zu teuer und schädigt die Umwelt.»

    Verständlicherweise vehement für die Verkehrssanierung Aarwangen kämpft in diesen Tagen auch Kurt Bläuenstein, Gemeindepräsident von Aarwangen. Vor allem den von den Gegnern geäusserte Vorwurf, dass hier eine Luxusstrasse gebaut werde, tritt er entschieden entgegen. «Gerade das Vorprojekt hat aufgezeigt, dass die Umfahrungsstrasse der Region einen sehr grossen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen wird. Das ist ein enorm wichtiger Aspekt. Genau aus diesem Grund ist die Strasse für unsere Region kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit», betont Bläuenstein. Man darf durchaus gespannt sein, wie die Berner Stimmbürger die Argumente der beiden Lager gewichten werden und welchen Einfluss die emotionalen Komponenten (Umwelt einerseits, Sicherheit für Schulkinder andererseits) auf die Stimmbürger haben.

    Walter Ryser

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